Warum „wirtschaftliche Optimierung“ manchmal die schlimmste Form von Sabotage ist
Gewidmet an J.B.M.
Ich schenkte meinem achtjährigen Neffen das Experimentier-Set „Mein Elektro-Labor“,
beworben mit dem Namen und Logo eines bekannten deutschen Privatsenders.
Neugierig packte er alles aus, und wir machten uns voller Vorfreude daran, das erste Experiment aufzubauen.
Doch die Freude währte nur kurz – leider!
Die spielerische Neugier, das Interesse und der Wissensdurst von Kindern sind zwar nicht quantitativ messbar,
aber sicher vektoriell – und auf keinen Fall skalar.
Denn wenn statt Verstehen, Funktionieren und Erfolgserlebnis nur Fehler, Zweifel, Enttäuschung und Frust entstehen,
dann kehrt sich dieser Vektor um 180 Grad:
Aus Interesse wird Desinteresse, aus Begeisterung Abwehr.
Und genau das ist fatal – denn es ist exponentiell schwieriger, diesen verlorenen Funken der Neugier später wieder zu entfachen,
um Kinder spielerisch für Elektrotechnik oder Naturwissenschaft zu begeistern.




Die Realität im Karton
Nichts entsprach dem, was auf der Verpackung zu sehen war:
- Die Symbole der elektronischen Bauelemente entsprechen dem US-Standard,
und haben mit IEC- oder DIN-Normen nichts zu tun – obwohl das Set in der EU verkauft wird! - Das Hexagon-Bauteil mit eingebautem Schalter fehlte völlig.
- Es gab weder schwarze noch gelbe Bananenstecker – nur rote und weiße.
- Im Benutzerhandbuch wird ein Phototransistor beschrieben, samt Symbol – tatsächlich handelt es sich jedoch um einen Fotowiderstand (LDR),
ein Bauteil, das weder ein Halbleiter ist, noch gepolt, noch irgendetwas mit einer Diode oder einem Transistor zu tun hat,
sondern schlicht zur Gruppe der Widerstände gehört. - Die Kontakte sind wackelig, und die „Leitplatten“ (Filz mit Alufolie beklebt) zwischen Steckern und Bauteilen instabil.
Man weiß nie, ob man etwas falsch verbunden hat – oder ob einfach der Kontakt schlecht ist. - Das Farbsystem der Hexagon-Gehäuse ist widersprüchlich: Laut Anleitung sollten verschiedene Farben unterschiedliche Bauteile kennzeichnen –
doch offenbar wurde „wirtschaftlich optimiert“ und die orangen Gehäuse kurzerhand grün produziert. - In der Anleitung wird der Zusammenbau der Widerstands-Gehäuse beschrieben – allerdings ohne Abbildung, stattdessen prangen mehrere LED-Bilder daneben.
- Und als wäre das nicht genug, hat man zusätzlich eigene Symbole erfunden, die das Ganze noch unübersichtlicher machen.
Wenn Marketing auf Physik trifft
Warum verwendet man nicht einfach die standardisierten Symbole,
die in der EU vorgeschrieben, genormt und etabliert sind?
Weil das Marketing offenbar wichtiger war als Didaktik,
und der Design-Entscheidungsausschuss wahrscheinlich nie eine Batterie richtig herum eingelegt hat.
Das Ergebnis:
Ein Lehrspiel, das mehr über Frustrationstoleranz lehrt als über Elektronik.
Fazit
Kinder brauchen keine Plastik-Spielereien mit „coolen“ Logos.
Sie brauchen Werkzeuge, die funktionieren, Erklärungen, die Sinn ergeben,
und Erfolgserlebnisse, die echtes Interesse wecken.
Denn jedes Kind, das heute entmutigt wird,
ist vielleicht ein zukünftiger Ingenieur, Forscher oder Entwickler weniger.
Und das wäre wirklich kaputt-optimiert.