Digitalisierung mit Papier und Brief per Post

Halbe Arbeit produziert halbes Produkt

TL;DR: Wenn man Prozesse weder aus der Perspektive der Kunden betrachtet noch konsequent zu Ende denkt, entstehen halbfertige Lösungen.


Neulich erhielt ich als Kunde der ÖBB und Besitzer einer Vorteilscard 66 eine E-Mail mit folgendem Inhalt (das Bild zeigt die zweite E-Mail, welche am 2. Dez. nochmal gesendet wurde):

Zusätzlich wurde in der E-Mail die neue Vorteilscard Comfort beworben.

Einladend prangte dort eine rote Schaltfläche: „Jetzt umsteigen.“
Also klickte ich drauf und entschied mich für die supermoderne Vorteilscard Comfort.

Nach Abschluss des Vorgangs erhielt ich eine Bestätigungs-E-Mail samt Rechnung. Doch beim Überprüfen stellte ich fest, dass die neue Karte nicht ab dem 4. Dezember 2024 – dem Tag nach Ablauf meiner aktuellen Karte – gültig war, sondern ab dem 27. November 2024!

Unter „Verlängern“ stelle ich mir etwas anderes vor als die ÖBB offenbar.


Ein Anruf bei der Hotline

Verwirrt griff ich zum Telefon und wählte die ÖBB-Hotline. Nach einiger Wartezeit meldete sich eine Dame, die offenbar mit etwas anderem beschäftigt war – ihre Antworten kamen stets erst nach langen, stillen Pausen von mindestens 15 Sekunden.

Ich schilderte ihr mein Problem und bat darum, die Gültigkeit der neuen Karte erst ab dem 4. Dezember zu setzen, um die Überschneidung zu vermeiden. Zwei Vorteilskarten zur gleichen Zeit zu haben bringt schließlich keinerlei zusätzlichen Nutzen.

Die Mitarbeiterin hörte sich mein Anliegen an und begann nach einer Lösung zu suchen – erneut mit langen Pausen zwischen ihren Rückmeldungen. Schließlich kam die ernüchternde Antwort:

„Nein, das geht nicht!“


Die Offenbarung: Verlängern per Brief

Etwas irritiert fragte ich nach: „Ich bin doch sicher nicht der erste Kunde mit diesem Problem. Das muss doch schon einmal vorgekommen sein, oder?“

Ihre Antwort lautete: „Nein, ich kann mich an keinen ähnlichen Fall erinnern.“

Also fragte ich weiter: „Wie verlängern die anderen ÖBB-Kunden denn ihre Vorteilskarten?“

Und hier kam die erstaunliche Antwort prompt:

„Per Brief! Alle Vorteilscard-Besitzer erhalten automatisch einen Erinnerungsbrief per Post mit einem Formular zur Verlängerung.“


Lösungsvorschlag: Zurück zur analogen Welt

Da ich die Gültigkeit der neuen Karte nicht ändern lassen konnte, fragte ich, was ich nun tun könne. Ihre Empfehlung war:
„Sie können den neuen Vertrag annullieren und das Formular, das Sie per Post erhalten haben, ausgefüllt an uns zurücksenden.“


Fazit: Digitalisierung, aber bitte nicht zu viel

Und das in einem Land, in dem ständig von Digitalisierung, künstlicher Intelligenz und anderen technologischen Fortschritten die Rede ist.

Willkommen in der zerbrochenen (digitalen) Welt – by design!